Bericht in der Bildzeitung von Sonnabend, dem 22. November 1952
Streik oder Straße
(Titelseite mit Bildern des Bürgermeisters und eines Straßenschildes)
Zwölf
mittelholsteinische Gemeinden mit zusammen 14.000 Einwohnern haben der
Regierung in Kiel den Fehdehandschuh hingeworfen und Steuerstreik
angekündigt. Man hatte ihnen den Neubau ihrer Hauptstraße versprochen,
die Verkehrsschlagader der zwölf Gemeinden zwischen Bad Bramstedt,
Armstedt und Brokstedt. Aber der Termin für den Beginn der
Bauarbeiten ist verstrichen und nichts geschehen. Darauf gerieten die
Gemeindevertreter in Harnisch. Sie erklärten: “Entweder hält die
Regierung ihr Wort und baut die Straße oder wir zahlen keine Umsatz-
und Einkommensteuer mehr! Wir haben keine Lust mehr zuzusehen, wie
unsere für teures Geld gekauften Wagen in Trümmer gehen!“ Zum Sprecher
der zwölf Dörfer hat sich der junge Bürgermeister Otto Schümann aus
Armstedt bei Bad Bramstedt gemacht, 45 Jahre, mit einem harten,
unbeugsamen Schädel. BILD erklärt er: „Wenn die Regierung sich nicht
binnen kurzem positiv zum Wegebau äußert, dann werden wir passive
Resistenz übern! Wir werden unsere gesamten Umsatz- und
Einkommensteuern auf das Sperrkonto einer Bank einzahlen. Dann sollen
die in Kiel sehen, wie sie weiterkommen!“ Bei den Ministerien in der
Landeshauptstadt haben wir Rückfrage gehalten, wie sie den angedrohten
Streik beurteilen. Das Verkehrsministerium behauptet, dass die Mittel
nicht ausreichen. Dringlichere Objekte würden 1953/54 schon rund 75
Millionen DM schlucken. Das Finanzministerium erklärte BILD:
„Steuerstreik können wir uns nicht vorstellen.“ Und das
Innenministerium: „Wenn die Gemeinden streiken, setzen wir einen
Kommissar ein.“ Es bleibt abzuwarten, wieweit der moderne Michael
Kohlhaas, Otto Schümann aus Armstedt, kommt.
Fortsetzung unter: Lange Nase fürs Finanzamt
Das
Kuriosum, dass zwölf Gemeinden Schleswig-Holsteins wegen einer nicht
gebauten Straße in den Steuerstreik treten wollen, veranlasste BILD,
mit dem Wortführer zu sprechen. Es ist der 45 Jahre alte Otto Schümann aus Armstedt im Kreise Segeberg. Der sonst so ruhige Bauer ist aufgebracht. „Hier,
sehen Sie sich das an. Hier ist das Schriftstück, mit dem uns von der
Regierung der Bau unserer Straße fest versprochen worden war. Wir
fahren unsere Wagen kaputt. Die Fahrräder bleiben im Schlamm stecken.
Bis zu 18 cm tief waren die Schlaglöcher. Und unsere Meinung ist: Die
Regierung muß ihr Wort halten.“ Auf der großen Straße, die Bad
Bramstedt im Herzen Schleswig-Holsteins mit den Gemeinden Armstedt,
Fuhlendorf, Wiemersdorf, Hagen, Hardebek, Hasenkrug, Willenscharen,
Sarlhusen, Fitzbek, Rade und Armstedt (eigene Anmerkung: soll Borstel
sein) bis nach Kellinghusen verbindet, trafen wir einen
Wegebauarbeiter. Aus einer Karre schüttete er mit einer Schaufel
Schotter in die Löcher. Bürgermeister Schümann: „Ja, auf unseren
Protest bei der Regierung hat man vor drei Wochen ein paar Arbeiter
hingestellt, die die skandalösen Löcher zuschütten sollen. Das ist aber
alles dummes Zeug. Was meinen Sie, wenn wir mit unseren Treckern
darüberfahren, dann ist in vier Wochen alles wieder beim alten!“ Die
14.000 Einwohner sind sehr aufgebracht. Ab 1. Januar wollen sie nun
Handeln. Von da ab werden Umsatz- und Einkommensteuer auf das
Sperrkonto einer Bank überwiesen. Das Finanzamt bekommt nichts mehr.
Vorausgesetzt, dass sich die Regierung nicht positiv äußert.
Bericht der Segeberger Zeitung vom 30. Oktober 1952
Armstedt droht mit Steuerstreik
Kampf um die Provinzialstraße Nr. 122 auf dem Höhepunkt – Zehn Anliegergemeinden schließen sich der Protestaktion an. Vergeblich
bemühte sich die Gemeinde Armstedt, den Neubau der seit Jahren
katastrophal schlechten Provinzialstraße Nr. 122 zu erreichen. Das Dorf
fühlt sich verkehrsmäßig von der Welt völlig abgeschnitten und daher
wirtschaftlich stark benachteiligt. Der Gemeinderat hat sich jetzt zu
einer ungewöhnlichen Protestaktion entschlossen. Die zehn
Anliegergemeinden Hasenkrug, Hardebek, Wiemersdorf, Fuhlendorf,
Borstel, Brokstedt, Willenscharen, Fitzbek und Rade haben sich mit dem
Schritt der Gemeinde Armstedt solidarisch erklärt. Auf der kürzlich
einberufenen Gemeindevertretersitzung stellte Bürgermeister Otto
Schümann fest: Es ist der Gemeinde Armstedt bekannt geworden, dass der
geplante Straßenbau der Provinzialstraße Bad Bramstedt – Armstedt –
Brokstedt – Rade wiederum zurückgestellt worden ist, obwohl von der
Landesregierung mit Schreiben vom 23.7.1952 ein Versprechen abgegeben
wurde, dass der Bau noch 1952 begonnen werden soll. Auf Grund dieser
Tatsache bevollmächtigte die Gemeindevertretung Armstedt ihren
Bürgermeister, bei der Landesregierung entsprechende Schritte zu
unternehmen. Es wurde dann ein Protestschreiben des Inhalts aufgesetzt:
Seitens der Gemeinde Armstedt und der anliegenden Gemeinden sind seit
Jahren diverse Beschwerdeeingaben an die zuständigen Dienststellen
gemacht. Es ist eindeutig der katastrophale Zustand der Rendsburger
Landstraße dargelegt worden. Die Empörung der Bevölkerung hat nunmehr
ihren Höhepunkt erreicht. Wenn der Gemeinde Armstedt von der
Landesregierung nicht bis zum 1.12.1952 bindend mitgeteilt wird, dass
zu einem bestimmten kurzfristigen Termin mit dem Bau der Straße Nr. 122
begonnen wird, so wird am 1.12.1952 ein Steuerstreik einsetzen. Der
Gemeinderat in Armstedt wird ferner seine Funktion ab 1.1.1953 aus
Protest nicht mehr ausüben. Der Bürgermeister und die
Gemeindevertreter sind sich darüber einig, dass dieser Beschluß nicht
mehr umgestoßen werden kann, zumal auch die zehn Anliegergemeinden, die
teils im Kreis Segeberg, teils im Kreis Steinburg liegen, die
Protestaktion Armstedts gutheißen. Weiter wurde in der Sitzung
bekanntgemacht, dass der Omnibusbetrieb Prahl, Bad Bramstedt, bereits
erwogen hat, die Linie Bad Bramstedt – Rade vollständig einzustellen,
wenn die Straße nicht endlich ausgebaut werden sollte, die mit
Omnibussen ohne Achs- und Federbrüche nicht mehr zu befahren ist.
Darüber hinaus weigert sich das Krankenhaus Bad Bramstedts Wegen der
schlechten Straße Kranke von und nach Armstedt zu transportieren. Die
Folgen sind unübersehbar, wenn hier in den Straßenverhältnissen keine
Änderung eintritt. Die Gemeindevertretung Armstedts wartet nun auf die
Entscheidung der Landesregierung, ebenso die zehn Anliegergemeinden.
Ähnliche Berichte in: Kieler Nachrichten vom 31. Oktober 1952 Lübecker Nachrichten vom gleichen Datum Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung vom gleichen Datum Stormarner Nachrichten vom gleichen Datum
Bericht der Segeberger Zeitung vom 17. September 1953
Ein Straßenbauproblem gelöst
Ausbau von zwei Dorfstraßen vom Gemeinderat beschlossen. Der
Gemeinderat, der in Berghofers Gasthof tagte, beschloß einstimmig, die
Dorfstraßen auszubauen und sie damit der Provinzialstraße anzupassen.
Es handelt sich um die Teilstrecke vom Haus des Bäckermeisters
Schumacher bis zum Bauernhof von Kruse am Mühlenberg und um die
Teilstrecke von der Schule bis zu Raves Bauernstelle. Bürgermeister
Schümann stellte vor Genugtuung fest, dass der Ausbau der sogenannten
„Steuerstreikstraße“, der Provinzialstraße Bad Bramstedt – Armstedt –
Brokstedt rüstig fortschreitet. Fertiggestellt bis auf die Bankette und
die Straßengräben ist die Teilstrecke Wiemersdorfer Feldweg – Armstedt
bis zu der Stelle, an der die Straße in Richtung Brokstedt 4 Prozent
Gefälle aufweist. Die „Bergstrecke“ soll zum Schluß ausgebaut werden.
Fertig dagegen ist wieder das kurze Teilstück von Kilometerstein 7,2
bis zur Abzweigung nach Hasenkrug. Die Strecke von der Abzweigung bis
zum Bahnhof Brokstedt ist zur Zeit noch im Bau. In Armstedt ist am
Dorfteich eine große Teerkocherei eingerichtet, so dass die
erforderlichen Teermengen von hier aus immer rasch angefahren werden
können. Der Gemeinderat dankte dem Bürgermeister für seinen Bericht
und hob hervor, dass es in erster Linie der Initiative des
Bürgermeisters zu verdanken sei, dass Armstedt nun endlich befahrbare
Straßen bekomme. Da die Provinzialstraße gut ausgebaut werde, wolle man
nun auch von der guten Hauptstraße auf guten Dorfstraßen ins Dorf
gelangen. Zum Schluß der Sitzung wurde von allen Gemeindevertretern die
Hoffnung ausgesprochen, dass die Bürgermeister der Nachbarorte
Armstedts Beispiel folgen möchten, damit auch das Reststück der
Provinzialstraße Wiemersdorfer Feldweg – Bad Bramstedt recht bald
ausgebaut und mit einer Schwarzdecke versehen werden möge.
Bericht der Segeberger Zeitung vom 28. November 1953
„In Armstedt wohnen gute deutsche Bürger ...“
Nach heftigen Geburtsschmerzen entstand eine tadellose Straße „Wir
waren in Armstedt als Steuerrebellen verschrien, aber wir sind genau so
vernünftige Leute, wie die Menschen in den anderen Dörfern“, erklärte
Bürgermeister Otto Schümann gestern Mittag bei der Abnahme des in einer
Länge von 3,2 km fertiggestellten Teilstückes der Provinzialstraße Bad
Bramstedt – Armstedt - Brokstedt. Bevor die von
Regierungsoberbaurat Hartmann vom Straßenbauamt Itzehoe geführte
Abnahmekommission die strecke abschritt, wiesen Bürgermeister Otto
Schümann und Gemeindevertreter Ernst Martensen den von anderer Seite
aufgestellten „Plan“, sie als „Erbauer der Steuerstreikstraße“ zu
Ehrenbürgern der Gemeinde Armstedt zu ernennen, mit aller
Entschiedenheit von sich. Beide betonten, sie hätten der Gemeinde
gegenüber nur ihre selbstverständliche Pflicht getan und sich für den
Straßenbau eingesetzt. Insgesamt sind 16.000 qm Straßenfläche
ausgebaut worden. Die Straße hat eine Asphaltmastixdecke bekommen.
Dieses Verfahren hat das Straßenbauamt Itzehoe erstmalig angewandt. Die
Gesamtkosten für den Bauabschnitt Armstedt – Brokstedt betrugen 310.000
DM. Es sind 3.200 Tagewerke abgeleistet worden. Die Eigenleistung der
Gemeinde Armstedt beläuft sich auf 11.000 DM Das Land
Schleswig-Holstein hat 250.000 DM übernehmen müssen. Bei der
anschließenden Zusammenkunft in Berghofers Gasthof sagte der
Bürgermeister Schümann, die Gemeinde sei dankbar, dass das umstrittene
Projekt wenigstens zum Teil verwirklicht worden sei. Da „mitten in der
Wurst angefangen“ worden sei, bestünde die Hoffnung, dass auch die
beiden Enden bald fertiggestellt würden. Regierungsoberbaurat
Hartmann erklärte: „In diesem Dorf wohnen gute deutsche Bürger. Der
Lärm, der gemacht worden ist, hat die Aufmerksamkeit auf eine dreckige
Straße gelenkt ... Das Werk ist gelungen ... Der hohe Landtag muß nun
darüber Beschluß fassen, ob der Straßenbau, der so viele Kosten
verursacht und so heftige Geburtsschmerzen gemacht hat, im kommenden
Jahre weiter geführt werden kann. Die Straßenbauverwaltung in Kiel hat
jedenfalls bereits ihren guten Willen dadurch bekundet, dass ein Teil
des Steinmaterials schon in diesem Winter nach Willenscharen angefahren
wird...“
Weiterer Bericht der Bramstedter Nachrichten vom 30. November 1953
Armstedter „Steuerstreikstraße“ dem Verkehr übergeben
.....Die Straße wurde mit einer Schwarzdecke aus Asphaltmastix bezogen und von 3 _ auf fünf Meter verbreitert.
Bericht der Segeberger Zeitung vom 9. April 1954
Auf Umwegen nach Armstedt
Das
Steinmaterial für den Ausbau des Brokstedt-Armstedter Berges im Zuge
der Straßenbauarbeiten der Provinzialstraße ist bis zum 1. April
angefahren worden. Mit dem Beginn der Bauarbeiten ist noch in diesem
Frühling zu rechnen. Wie wir gestern von Bürgermeister Schümann
erfuhren, soll der Berg keine Schwarzdecke erhalten wie die übrige
Straße, sondern gepflastert werden. Wenn die Brokstedter Kanalisation
nicht so viel Geld gekostet hätte, wäre diese Teilstrecke der
Provinzialstraße bereits im vorigen Jahre fertiggestellt worden. Noch
in diesem Sommer soll das Teilstück Brokstedt – Willenscharen in
Angriff genommen werden. Es bleibt dann für 1955 noch die Reststrecke
vom Kilometerstein 4,7 bis Bad Bramstedt. Der Zustand dieser Strecke
hat sich im Laufe des letzten Winters noch erheblich verschlechtert, so
dass Kraftfahrer, die von Bad Bramstedt nach Armstedt fahren wollen,
den Umweg über Fuhlendorf wählen, da sie dann nur 1,7 km schlechte
Wegstrecke (vom km 3 bis km 4,7) in Kauf zu nehmen brauchen.